Alle 11 Sekunden wird ein weiteres Mädchen einer Genitalverstümmelung ausgesetzt.

Alle 11 Sekunden wird weltweit ein weiteres Mädchen einer Genitalverstümmelung ausgesetzt. Alle 11 Sekunden verschlimmern sich die Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung. Es mag zwar unmöglich sein, die Zeit zu stoppen, jedoch ist es möglich, geschlechtsspezifische Gewalt wie die weibliche Genitalverstümmelung (FGM) zu bekämpfen.

Weltweit sind 200 Millionen Mädchen und Frauen von FGM betroffen, davon sind 44 Millionen unter 14 Jahre alt. Diese Praxis ist nach wie vor zu weit verbreitet und betrifft überwiegend sehr junge Mädchen im Alter von 0 und 14 Jahren. In den Ländern, in denen die weibliche Genitalverstümmelung praktiziert wird, ist ein Großteil der Frauen und Männer dagegen, und dennoch wird die Praxis fortgesetzt. Für einige Gemeinschaften bedeutet sie ein Übergangsritual vom Mädchen zur Frau, für andere stellt sie ein Mittel der Familien dar, die Keuschheit ihrer Tochter zu garantieren. Oft stellt sie auch die Voraussetzung für eine Hochzeit dar. Für viele Mitglieder ist es sehr schwierig, sich dieser Praxis zu widersetzen, da der soziale Druck sehr groß ist und die Angst von der Gemeinde ausgegrenzt zu werden ist oft stärker als die Angst vor den Folgen der Genitalverstümmelung.

Alle 11 Sekunden verlieren eine Mutter und ein Baby bei der Entbindung ihr Leben und das aus Gründen, die durchaus hätten vermieden können.

Die Folgen der Genitalverstümmelung können abgesehen von den unmittelbaren Folgen wie extremen Schmerzen, Blutungen oder dem Tod des Mädchens, auch erst später im Leben auftreten. Die Nachwirkungen können sehr vielfältig ausfallen: Schmerzen, Infektionen, Harnverlust, Fisteln und schlimme Komplikationen bei der Entbindung, die manchmal auch zum Tod führen.

Alle 11 Sekunden wird ein Mädchen oder eine Frau einer Form von geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt.

In Zusammenarbeit mit ihren lokalen Partnern AAB-FFL in Burkina Faso und COFESFA in Mali setzt sich die Fondation Follereau Luxembourg dafür ein, die Rechte von Frauen zu stärken und geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, darunter Früh- und Zwangsheiraten, psychologischer und psychischer Missbrauch wie auch weibliche Genitalverstümmelung (FGM). Konkret werden zu diesem Zweck Plädoyers bei kommunalen, religiösen und politischen Behörden durchgeführt, um diese für die Problematik der Genitalverstümmelung zu sensibilisieren und ihr Engagement durch die Unterzeichnung einer schriftlichen Vereinbarung zur Abschaffung dieser Praxis zu konkretisieren.

LILIANE CONOMBO, Staatliche Hebamme, Freiwillige bei der Rama-Stiftung, einem Partner der AAB-FFL.

Wir versuchen, die Leader und Religiösen zu sensibilisieren. Es gelingt uns, sie zu überzeugen. Es lässt sich eine Veränderung feststellen. Die Leader beginnen, sich anzuschließen. Einen Häuptling zu haben, der sich hinstellt und jedem sagt, dass gegen die Beschneidung von Mädchen gekämpft werden muss, ist großartig.

Parallel dazu werden sowohl in den Gemeinden als auch in Schulen Sensibilisierungsaktivitäten durchgeführt, um auf individueller Ebene effektive Veränderungen zu bewirken. Dies ermöglicht es einigen Frauen, die Ursache ihrer Schmerzen zu verstehen und ihr Leid, das sie vorher für sich behalten hatten, in Worte zu fassen und laut auszusprechen. Am Ende der Sitzungen wird denjenigen Frauen, die es wünschen, eine medizinische und soziale Betreuung angeboten, um sie bei ihrer physischen und psychologischen Heilung zu unterstützen.

Erfahrungsbericht einer Frau, die eine Genitalverstümmelung erlitten hat

Ich habe im Alter von neun Jahren eine Genitalverstümmelung erlitten. Ich war mit meinen Freundinnen auf dem Feld. Wir waren elf Mädchen. Uns wurde gesagt, dass wir eine nach der anderen in den Hof gehen sollten, um die Bohnen vorzubereiten. Ich war die Zweite, die nach Hause ging. Erst als ich nach dort ankam, wurde mir bewusst, dass ich eine Genitalverstümmelung erhalten sollte. Ich wollte weglaufen, doch sie holten mich ein. Sie hielten mir ein Kleidungsstück vor den Mund. Ich weinte, aber ich konnte nicht schreien. Ich wurde nicht ohnmächtig. Das Ganze dauerte 40 Minuten.

Ich habe geheiratet. Ich war vier Mal schwanger. Nur ein Baby hat überlebt. Als die Wehen einsetzten, habe ich mich zu einem Gesundheitszentrum begeben. Dort hat man mir erklärt, dass es sich nicht um eine Schwangerschaft, sondern um eine Krankheit handelt. Ich ging also zu einem anderen Zentrum, wo ich eineinhalb Tage lang blieb. Doch auch hier erklärte man mir, dass es sich um eine Krankheit handelt. Dann wurde ich in die Chirurgie geschickt. Dort wurde ein Kaiserschnitt gemacht. Schon vor dieser Operation war mein Lendenschurz nass. Ich dachte, das wäre so, weil ich bei den Untersuchungen viel abgetastet worden war. Mein Mann hat mich mit meinem Kind zu meinem Vater gebracht, und er ist in die Elfenbeinküste gegangen. Ich habe nichts mehr von ihm gehört.

Alle 11 Sekunden führt eine traditionelle Beschneiderin eine Genitalverstümmelung durch.

Die Aktionen der Stiftung hören nicht bei der Sensibilisierungsarbeit und medizinischer Betreuung auf. Für einen multifaktoriellen Ansatz ist es notwendig, dass die weibliche Genitalverstümmelung nicht länger eine Praxis oder eine Einkommensquelle ist. Um dies zu erreichen, identifizieren, informieren und schulen die lokalen Partner die traditionellen BeschneiderInnen über die FGM und die damit verbundenen Risiken. Damit die Aktion erfolgreich und nachhaltig ist, finanziert die Fondation Follereau Luxembourg die Umschulung der BeschneiderInnen. Die meisten von ihnen entscheiden sich dazu, selbst als Sensibilisierungsbeauftragte um gegen FGM zu fungieren.

Umgeschulte Beschneiderin, die selbst eine Genitalverstümmelung erlitten hat

Wir waren sieben Mädchen, die am selben Tag eine Genitalverstümmelung bekamen. Drei von uns bluteten sehr stark, und ich war eine von ihnen. Nachdem ich mit 20 Jahren geheiratet hatte, versteckte ich mich oft in der Küche, hinter Taschen und Balkonen, damit mein Mann mich nicht finden konnte, so schmerzhaft war die eheliche Beziehung. Trotz dieser Schwierigkeiten wurde ich mit einem kleinen Jungen schwanger, dessen Geburt sehr schwierig war und viele Stunden dauerte. Als ich selbst Beschneiderin war, nahm ich an den Animationssitzungen und Videovorführungen von COFESFA teil und verstand, dass mein Leiden mit der Genitalverstümmelung zusammenhing. Ich beschloss, die Praxis aufzugeben. Ich fordere alle dazu auf, diese Praxis zu beenden, angesichts all des Leids, das sie über die Frauen bringt

Die Problematik der weiblichen Genitalverstümmelung und der geschlechtsspezifischen Gewalt ist ein globales Thema. Daher ist es ebenso wichtig, sich die Zeit zu nehmen, um sowohl im Süden als auch hier in Luxemburg das Bewusstsein zu schärfen. In diesem Sinne organisiert die Fondation Follereau Luxembourg in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Strassen vom 4. Februar bis 18. März im Rathaus von Strassen die Ausstellung “11 secondes” mit Fotos des Fotografen Thierry Winn, die er auf seinen Reisen und Besuchen der Projekte der Stiftung in Mali gemacht hat.

Am 9. März wird COFESFA, Partner der Stiftung, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter in Mali einsetzt, exklusiv bei einer Veranstaltung im “Centre Paul Barblé” in Strassen anwesend sein, um sich über das Thema der Rollenverteilung in einer Familie in Mali und in Luxemburg auszutauschen. Der erste Teil des Abends wird aus der Vorführung des Filmes “Ephémère” – Naître femme, devenir maman au Mali“ bestehen. Danach wir ein Austausch zwischen den lokalen Partnern der Fondation Follereau Luxembourg, darunter die Vertreterinnen des Frauenkollektivs COFESFA in Mali, und dem Publikum stattfinden.

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